Musik

GEMA-Reform: Abschaffung der E- und U-Musik-Kategorien erhitzt die Gemüter

today08.05.2025 7

Hintergrund
share close

Die Unterscheidung zwischen E-Musik (Ernste Musik) und U-Musik (Unterhaltungsmusik) könnte bald der Vergangenheit angehören. Die GEMA plant im Rahmen einer umfassenden Reform, diese traditionelle Kategorisierung abzuschaffen – mit weitreichenden finanziellen Konsequenzen vor allem für Komponisten der klassischen Musik. Der Antrag 22a zur GEMA-Mitgliederversammlung, die nächste Woche stattfindet, sieht eine grundlegende Neugestaltung der Kulturförderung vor. Die Debatte spaltet die Musikwelt und wirft grundsätzliche Fragen zur Bewertung von Kunst auf.

Kunst versus Unterhaltung – ein überholtes Konzept?

GEMA-Reform: Abschaffung der E- und U-Musik-Kategorien erhitzt die Gemüter

Die Trennung in E- und U-Musik stammt aus einer Zeit, als die Grenzen zwischen Kunstmusik und populärer Musik noch klarer zu ziehen schienen. Heute verschwimmen diese Grenzen zunehmend. Dennoch hat die Unterscheidung handfeste finanzielle Auswirkungen, denn E-Musik wird bei der GEMA-Ausschüttung traditionell besser vergütet als U-Musik. Der renommierte Komponist Helmut Lachenmann verteidigt in der FAZ diese Differenzierung vehement: „Es muss weiterhin unterschieden werden, denn bei U und E geht es keinesfalls um dieselbe Art von ‚Dienstleistung‘.“ Er definiert U-Musik als „unverzichtbaren ‚Dienst‘ an der Lebensfreude“ und E-Musik als einen „Dienst an unseren ästhetischen Bedürfnissen und Neugier“.

Auf der anderen Seite stehen Befürworter der Reform, die argumentieren, dass die strikte Trennung nicht mehr zeitgemäß sei und zu Ungerechtigkeiten führe. Ralf Weigand, Vizepräsident des Deutschen Komponistenverbands (DKV), sieht positive Aspekte: „Und natürlich geht mit dem neuen Modell auch die substanzielle Förderung der zeitgenössischen Kunstmusik weiter, aber eben nicht mehr exklusiv.“ Er betont die Chance für mehr Vielfalt und gleichberechtigte Unterstützung aller Musikrichtungen.

Bürokratische Hürden und Verteilungskämpfe

Ein weiterer Kritikpunkt am bestehenden System sind die komplizierten bürokratischen Prozesse. Die Cellistin und Musikverlegerin Susanne Wohlleber beschreibt die Situation treffend: „Bis zur Einordnung eines Werkes in die Sparte ‚E‘ ist ein jahrelanger, bürokratischer, oft entwürdigender Kampf nötig.“ Diese Hürden benachteiligen besonders junge und unbekannte Komponisten, die nicht über die nötigen Ressourcen verfügen, um sich durch den administrativen Dschungel zu kämpfen.

Die GEMA selbst präsentiert die Reform als Modernisierungsschritt, der mehr Transparenz und Gerechtigkeit schaffen soll. Kritiker befürchten jedoch, dass letztlich wirtschaftliche Interessen die künstlerischen überlagern könnten. Moritz Eggert, Präsident des DKV, warnt eindringlich: „Wenn wir das tun, machen wir die GEMA zu einer autokratischen Diktatur anstatt zu einem Verein für ALLE Mitglieder.“ Er sieht die Gefahr, dass besonders innovative und experimentelle Musik, die ohnehin schon am Rande des Marktes existiert, noch weiter marginalisiert werden könnte.

Tiefe Gräben in der Musikwelt

Die Debatte offenbart tiefe Gräben innerhalb der Musikgemeinschaft. Charlotte Seither, Vorstandsmitglied im DKV, äußert ernsthafte Bedenken, dass die Reform gravierende Folgen für die Sparte E haben könnte, insbesondere durch das Inkasso-Prinzip. Sie fordert eine langfristige Lösung, die beide Musikwelten angemessen berücksichtigt.

Andere Stimmen wie Daniel Flamm vom Vorstand VERSO begrüßen hingegen die Reform als zeitgemäße Antwort auf den Wandel in der Musikszene und die zunehmende Verschmelzung von Genres. Er sieht darin die Chance für eine moderne und gerechtere Förderung, die den aktuellen Entwicklungen im Musikmarkt Rechnung trägt.

Was bedeutet die Reform für Komponisten und Musiker?

Für viele Komponisten im E-Musik-Bereich könnte die Reform spürbare finanzielle Einbußen bedeuten. Klassische Werke, die oft aufwendig in der Komposition sind, aber seltener aufgeführt werden als populäre Musik, könnten unter einem rein auf Nutzungshäufigkeit basierenden Verteilungsschlüssel leiden. Für U-Musik-Komponisten hingegen könnte die Reform mehr Anerkennung und bessere Vergütung bedeuten.

Besonders betroffen sind jene Künstler, die in Grenzbereichen zwischen den Genres arbeiten oder bewusst mit Elementen aus beiden Welten experimentieren. Johannes K. Hildebrandt vom DKV-Vorstand kritisiert, dass der vorliegende Reformantrag einen tiefgreifenden Eingriff in bestehende Strukturen darstellt und wichtige Wünsche und Vorschläge der E-Musik nicht ausreichend berücksichtigt wurden.

Die Zukunft der Kulturförderung

Die GEMA-Reform wirft grundsätzlich Fragen zur Kulturförderung auf. Ist es die Aufgabe einer Verwertungsgesellschaft, kulturpolitische Entscheidungen zu treffen? Sollte die Verteilung von Tantiemen rein nach Marktprinzipien erfolgen, oder hat Kunst, die weniger kommerziell ist, einen besonderen Förderungsbedarf?

Kathrin Denner, ebenfalls Vorstandsmitglied des DKV, äußert starke Bedenken, dass die Reform die bestehende solidarische Struktur abbaut und die Sichtbarkeit der E-Musik gefährdet. Sie befürchtet eine schleichende Entwertung komplexer musikalischer Werke zugunsten einer rein quantitativen Bewertung.

Die Entscheidung über die Reform fällt auf der GEMA-Mitgliederversammlung in der kommenden Woche. Unabhängig vom Ausgang wird sie tiefgreifende Auswirkungen auf die deutsche Musiklandschaft haben. Was als technische Anpassung eines Verteilungsschlüssels begann, hat sich zu einer grundsätzlichen Debatte über den Wert von Musik und die Zukunft kultureller Vielfalt entwickelt.

Während die einen die Reform als überfälligen Schritt in eine modernere, gerechtere Musikwelt sehen, fürchten andere den Verlust wichtiger kultureller Errungenschaften. Eines ist jedoch klar: Die Musik selbst wird sich weiterhin jenseits von Kategorien und Verwertungslogiken entwickeln – in einer kreativen Vielfalt, die letztlich jede Klassifizierung überschreitet.

Kulturförderung

Geschrieben von: RadioMonster.FM

Rate it

AD
AD