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Die 1920er Jahre markierten in Frankfurt am Main eine Zeit des musikalischen Aufbruchs und der künstlerischen Innovation. Nach den erschütternden Erfahrungen des Ersten Weltkriegs entstand in der Mainmetropole eine vibrierende Musikszene, die traditionelle Grenzen sprengte und neue Wege beschritt. Von atonaler Musik über expressionistische Bühnenbilder bis hin zur Geburt des Radiozeitalters – Frankfurt entwickelte sich zu einem Zentrum der musikalischen Avantgarde, dessen Einfluss bis heute spürbar ist.
Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs erlebte Frankfurt eine kulturelle Renaissance. Die Musikwissenschaftlerin Dr. Ulrike Kienzle beschreibt diese Epoche als „Zeit des Aufbruchs und der Erneuerung nach den Schockwellen des Ersten Weltkriegs“. In ihrem kürzlich gehaltenen Vortrag „Der Komponist als Bürgerschreck“ im Archäologischen Museum Frankfurt beleuchtete sie, wie sich die Stadt zu einem Hotspot avantgardistischer Kunst- und Musikentwicklung mauserte.
Besonders bemerkenswert war die Offenheit für neue musikalische Strömungen. Atonalität, Expressionismus, Zeitoper und Jazz fanden ihren Weg in die traditionellen Spielstätten wie Oper und Konzertsäle. Der Oberbürgermeister Ludwig Landmann, selbst musikaffin, förderte sowohl die Avantgarde als auch die traditionelle Musikpflege – eine Doppelstrategie, die Frankfurt zu einem einzigartigen Experimentierfeld machte.
Ein Meilenstein in dieser Entwicklung war die Gründung von Radio Frankfurt im Jahr 1924. Als eines der ersten deutschen Radiosender wurde es schnell zum wichtigen Impulsgeber für die Neue Musik. Komponisten wie Paul Hindemith schufen speziell für das neue Medium konzipierte Werke. Bei Kienzles Vortrag führten Studierende der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Hindemiths „Drei Anekdoten für Radio“ auf – ein Werk, das die experimentelle Freude jener Zeit hörbar macht.
Bernd Loebe, aktueller Intendant der Oper Frankfurt, betont die Bedeutung dieser Innovationen: „Was damals in Frankfurt passierte, war wegweisend für die gesamte Musiklandschaft. Komponisten wie Hindemith dachten das Medium Radio neu und schufen Formate, die bis heute inspirierend wirken.“ Die Experimentierfreude jener Zeit ist für Loebe auch heute noch Vorbild für seine Programmgestaltung.
Nicht nur musikalisch, sondern auch visuell setzte Frankfurt Maßstäbe. Ludwig Siewert prägte mit seinen ausdrucksstarken Bühnenbildern den „Frankfurter Expressionismus“ und schuf damit eine visuelle Entsprechung zur musikalischen Revolution. In der Oper sorgte Dirigent Clemens Krauss für musikalische Sternstunden, die als die „goldenen Jahre“ in die Geschichte des Hauses eingingen.
Die Offenheit für internationale Einflüsse zeigte sich besonders in der Jazzkultur, die in Frankfurt aufblühte. In zahlreichen Clubs und Veranstaltungsorten entstand eine lebendige Szene, die Menschen aller Gesellschaftsschichten anzog. „Jazz war mehr als nur Musik – er symbolisierte einen neuen Lebensstil, eine Abkehr von starren gesellschaftlichen Konventionen“, erklärt Kienzle.
Die blühende musikalische Vielfalt fand 1933 ein jähes Ende. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden jüdische Musiker wie Hans Wilhelm Steinberg verfolgt und vertrieben. Radio Frankfurt und die Städtischen Bühnen wurden gleichgeschaltet, und die lebendige Jazzkultur, die von den Nazis als „Niggermusik“ diffamiert wurde, verschwand aus der Öffentlichkeit.
„Der Bruch, den 1933 darstellte, war für die Frankfurter Musikszene verheerend“, sagt Kienzle. „Viele innovative Köpfe mussten fliehen, andere arrangierten sich mit dem Regime oder verstummten. Die kreative Energie der 20er Jahre konnte erst Jahrzehnte später wieder aufgegriffen werden.“
In der Podiumsdiskussion nach Kienzles Vortrag wurden auch Parallelen zur heutigen Zeit gezogen. Eine zentrale Frage der 1920er Jahre bleibt aktuell: „Das alte Publikum stirbt ab; wie und was müssen wir schreiben, um ein größeres, anderes Publikum zu bekommen?“
Bernd Loebe sieht in der Programmgestaltung eine stetige Gratwanderung: „Wir brauchen eine Mischkalkulation, um finanziell stabil zu bleiben, aber auch um künstlerisch relevant zu sein.“ Die Wiederentdeckung vergessener Werke aus den 1920er Jahren gehört für ihn ebenso dazu wie die Neuinterpretation bekannten Repertoires.
Interessanterweise erleben wir heute eine Rückkehr zum Live-Erlebnis, ähnlich wie in den 1920er Jahren, als trotz des neuen Mediums Radio der direkte Kontakt zwischen Musikern und Publikum weiterhin geschätzt wurde. „Nach der Pandemie und in Zeiten der Digitalisierung sehnen sich die Menschen wieder nach unmittelbaren Konzerterlebnissen“, beobachtet Loebe.
Diese Sehnsucht spiegelt sich auch in neuen Projekten wider. So wird beispielsweise im Museum Angewandte Kunst ab September die Ausstellung „Jazzklub“ eröffnet, die in Kooperation mit Jazz Montez über 60 Events, Workshops und Konzerte in einem eigens geschaffenen Jazzklub im Museum präsentieren wird – eine moderne Anknüpfung an die lebendige Jazzszene der 1920er Jahre.
Das Interesse an der musikalischen Geschichte Frankfurts wächst. Kienzles Buch über die Geschichte der Musikstadt Frankfurt, das im Herbst erscheinen wird, ist bereits jetzt mit Spannung erwartet. Die Reihe „Frankfurt in der Weimarer Republik“, organisiert von der Gesellschaft für Frankfurter Geschichte e.V., findet immer mehr Zuspruch.
„Wir können viel von dieser Epoche lernen“, resümiert Kienzle. „Die Offenheit für Neues, der Mut zum Experiment und gleichzeitig die Wertschätzung für Tradition – diese Balance ist auch heute entscheidend für eine lebendige Musikkultur.“
Wenn du heute durch Frankfurt gehst, kannst du die Echos jener Zeit noch immer spüren. In den Konzerthäusern, in der Oper, aber auch in kleinen Clubs und experimentellen Veranstaltungsorten lebt der Geist der 1920er Jahre weiter – eine Zeit, die zeigt, dass aus Krisen und Umbrüchen neue kreative Kraft entstehen kann.
Geschrieben von: RadioMonster.FM
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