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Yeule: ‚Evangelic Girl Is a Gun‘ – Düstere Klangwelten zwischen Cyber-Goth und Trip-Hop

today30.05.2025 4

Hintergrund
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Mit ihrem vierten Album „Evangelic Girl Is a Gun“ beweist die singapurische Künstlerin yeule (bürgerlich Nat Ćmiel) eindrucksvoll, dass experimenteller Pop auch im KI-Zeitalter noch authentisch und menschlich klingen kann. Die am 30. Mai erschienene Veröffentlichung beim renommierten Label Ninja Tune markiert einen weiteren Schritt in der künstlerischen Evolution der Internet-Ikone, die sich bewusst gegen den Mainstream und digitale Produktionsweisen stellt.

Von Singapur in die experimentelle Popwelt

Yeule: 'Evangelic Girl Is a Gun' - Düstere Klangwelten zwischen Cyber-Goth und Trip-Hop
David Lee, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

Yeule tauchte Mitte der 2010er-Jahre in der Musikszene Singapurs auf und entwickelte seitdem einen unverwechselbaren Stil, der sich irgendwo zwischen Glitch-Pop, Trip-Hop und Alternative Rock bewegt. Während ihr vorheriges Album „SOFTSCARS“ bereits Tendenzen zum Grunge und Alternative Rock zeigte, geht „Evangelic Girl Is a Gun“ noch einen Schritt weiter in diese Richtung, ohne jedoch die elektronischen Wurzeln ganz aufzugeben.

Die Musik auf dem neuen Album erinnert an subversive 90er-Jahre Acts wie Massive Attack und Nine Inch Nails, kombiniert mit modernen Einflüssen. Besonders bemerkenswert ist yeules bewusste Entscheidung, die Klänge direkt aufzunehmen und nicht auf digitale Produktionsweisen zu setzen. „Wir nehmen die Sounds direkt aus der Quelle oder richten sie am Verstärker aus“, erklärt Ćmiel selbst zu ihrer Herangehensweise.

Handgemachte Klänge als Statement gegen KI-Musik

In einer Zeit, in der künstliche Intelligenz zunehmend Einzug in die Musikproduktion hält, positioniert sich yeule mit diesem Album klar als Gegenpol. Die grimmige Ästhetik und die schnelllebigen instrumentalen Arrangements unterstreichen die Menschlichkeit in ihrer Kunst. Tracks wie „Skullcrusher“ vereinen Trip-Hop, Shoegaze und Sludge-Metal zu einem beeindruckenden Finale, während Songs wie „Tequila Coma“ an die atmosphärischen Qualitäten von Portishead erinnern.

Die Single „Eko“, die bereits Ende letzten Jahres veröffentlicht wurde, zeigt, dass yeule trotz aller Experimentierfreude auch eingängige Melodien erschaffen kann, die mit den besten Chart-Hits konkurrieren könnten. Gleichzeitig reflektieren Songs wie „VV“, „What3vr“ und „Dudu“ einen authentischen Sound, der auf Auto-Tune und übermäßige Glitch-Ästhetik verzichtet.

Düstere Lyrik und visuelle Kunst

Textlich setzt yeule den Stil ihrer bisherigen Veröffentlichungen fort, indem sie Cyberpunk-Referenzen mit gothic-inspirierten, makabren Bildern vermischt. Der Titelsong des Albums pulsiert vor Gefahr und erzeugt das Bild eines drohenden Chaos – „wie eine tickende Bombe, betrieben durch präzise Technik“.

Inspiriert von der Malerei verwandelt Ćmiel melancholische Gedanken in greifbare, gothic-elektronische Collagen und thematisiert persönliche Dämonen in ihren Arbeiten. „Die Malerei kann das Vergängliche bewahren“, merkt Ćmiel an und verbindet in ihrer Musik innere und äußere Erlebnisse zu einem bleibenden Kunstwerk.

Genreübergreifende Selbstexploration

Das gesamte Album lässt sich als genreübergreifende Selbstexploration verstehen, wie auch das Musikmagazin Paste beschreibt: „Die singapurische Popprovokateurin liefert eine Selbsterkundung mit Metalcore-, Electroclash-, Trip-Hop- und Synthwave-Texturen. Das Album bewegt sich durch lebhafte Traumszenarien, fragmentierte Identitätsloops und die sanfte Gewalt der Transformation.“

Die Verbindung zwischen popfreundlicheren Stücken und schwereren Songs wie „Skullcrusher“ und „Tequila Coma“ schafft ein interessantes Spannungsfeld, das moralische Fragen zu Gut und Böse aufwirft. Diese kontrastierenden Elemente machen das Hörerlebnis sowohl spannend als auch neuartig.

Während einige Fans das Album als yeules „bisher am wenigsten interessantes“ bezeichnen, loben Kritiker die stilvolle und raue Produktion. The Line of Best Fit bezeichnet „Evangelic Girl is a Gun“ sogar als möglicherweise „yeule’s beeindruckendstes Werk bis jetzt“.

Mit diesem Album beweist yeule einmal mehr, dass sie eine einzigartige Stimme in der zeitgenössischen Musiklandschaft ist – eine Künstlerin, die trotz oder gerade wegen ihrer Gegensätzlichkeit zur gegenwärtigen, von KI-Werkzeugen geprägten Musikszene, relevant und innovativ bleibt.

Geschrieben von: RadioMonster.FM

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