Wirtschaft & Politik

TUI vs. ZDF: Der Streit um die Insider-Doku und was dahinter steckt

today12.06.2025 72

Hintergrund
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Ein ungewöhnlich heftiger Konflikt ist zwischen dem Reiseriesen TUI und dem ZDF entbrannt. Auslöser ist die kürzlich ausgestrahlte Dokumentation „TUI: Die Insider“, in der ehemalige Mitarbeiter gravierende Vorwürfe gegen den Konzern erheben. Von irreführender Werbung über fragwürdige Buchungsbedingungen bis hin zu umweltschädlichen Praktiken bei Kreuzfahrten – die Liste der Anschuldigungen ist lang. Doch TUI schlägt mit voller Wucht zurück und wirft dem öffentlich-rechtlichen Sender unsaubere Recherchemethoden vor. Während das ZDF auf investigativen Journalismus pocht, sieht TUI seine Reputation zu Unrecht beschädigt.

Die Vorwürfe: Was die ZDF-Dokumentation behauptet

In der Dokumentation, die seit gestern in der ZDF-Mediathek abrufbar ist, kommen mehrere anonymisierte ehemalige TUI-Mitarbeiter zu Wort. Eine frühere Reiseberaterin berichtet von systematisch beschönigten Katalogbeschreibungen: „Im Katalog steht oft etwas von ’naturbelassenem Strand‘ – tatsächlich handelt es sich manchmal einfach nur um eine ungepflegte Bucht ohne Infrastruktur oder Rettungsschwimmer“, erklärt sie.

TUI vs. ZDF: Der Streit um die Insider-Doku und was dahinter steckt

Besonders bei Kinderangeboten soll es zu Missverständnissen kommen. Die Doku behauptet, dass vermeintliche Gratisangebote für Kinder mit versteckten Kosten verbunden sind, etwa für separate Schlafräume oder zusätzliche Flüge.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die TUI-Clubs, in denen der Umgang mit Gästen als übermäßig inszeniert dargestellt wird. Animateure würden angewiesen, gezielt Freundschaften vorzutäuschen, um Gäste bei Laune zu halten. „Es geht darum, eine Illusion zu verkaufen“, behauptet ein ehemaliger Animateur in der Sendung.

Kreuzfahrten im Kreuzfeuer der Kritik

Besonders schwerwiegend sind die Vorwürfe gegen die Kreuzfahrtsparte von TUI. Ein ehemaliger Restaurantleiter behauptet, dass auf den Schiffen künstlich eine Knappheit an Sonnenliegen geschaffen werde, um Gäste zum Buchen kostenpflichtiger Premium-Bereiche zu bewegen.

Noch gravierender: Die Dokumentation behauptet, dass große Mengen an Lebensmittelabfällen direkt im Meer entsorgt würden. „Was die Gäste nicht essen, landet über Bord“, so ein anonymisierter Insider. „Das können täglich mehrere Tonnen sein.“

Auch das eigene Bewertungssystem von TUI mit Sonnen statt Sternen wird in der Dokumentation als Trickserei dargestellt, um Hotels besser erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich sind.

TUIs Gegenangriff: „Unsaubere Recherche und Sensationsgier“

Der Reisekonzern hat mit ungewöhnlicher Schärfe auf die Dokumentation reagiert. In einer ausführlichen Stellungnahme wirft TUI dem ZDF und der Produktionsfirma Filmfee unsaubere Recherchemethoden vor. „Die Produktionsfirma hat in den vergangenen Jahren zahlreiche ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kontaktiert, um besonders dramatische Geschichten zu finden“, heißt es in der offiziellen Erklärung.

Besonders brisant: TUI behauptet, dass für Interviews Honorare von bis zu 800 Euro geboten wurden. „Viele ehemalige Mitarbeiter, die kontaktiert wurden, hatten kein Interesse an Interviews“, so das Unternehmen. Dies werfe die Frage auf, ob es dem ZDF tatsächlich um Aufklärung oder vielmehr um Skandalisierung gehe.

Zudem kritisiert TUI, dass das ZDF dem Unternehmen kaum Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben habe. Die Fragen seien erst kurz vor der Ausstrahlung gestellt worden, was eine fundierte Antwort erschwert habe.

Punkt für Punkt: TUIs Antworten auf die Vorwürfe

TUI weist sämtliche Vorwürfe entschieden zurück und liefert zu jedem Kritikpunkt eine Gegendarstellung:

Zum Vorwurf der irreführenden Katalogbeschreibungen erklärt das Unternehmen: „TUIs Ziel sind zufriedene und loyale Kunden. Unsere Angebote liefern genaue Informationen über die Unterkünfte.“ Die Sonnen statt Sterne bei der Hotelklassifizierung rechtfertigt TUI mit dem Fehlen einer einheitlichen internationalen Klassifizierung.

Die angeblich inszenierte Gästebetreuung in den Clubs weist TUI ebenfalls zurück: „Unsere Mitarbeitenden im Entertainment sind Gastgeber aus Überzeugung. Wir verfolgen ein ganzheitliches, erlebnisorientiertes Konzept.“

Besonders energisch widerspricht TUI den Vorwürfen zur Lebensmittelentsorgung auf Kreuzfahrtschiffen: „Die Behauptung ist falsch. Sämtlicher Abfall wird an Bord in bis zu 40 Kategorien getrennt und umweltgerecht im nächsten Hafen entsorgt.“ Eine Entsorgung über Bord finde nur in Ausnahmefällen und unter strengen gesetzlichen Auflagen statt.

Auch die angebliche künstliche Verknappung von Sonnenliegen bezeichnet TUI als „haltlose Unterstellung“. Die Anzahl sei durch Sicherheitsvorschriften begrenzt, und es gebe zahlreiche kostenlose Rückzugsorte an Bord.

ZDF verteidigt seine Recherchen

Das ZDF hat inzwischen auf die Vorwürfe reagiert. Pressesprecherin Silke Blomer erklärte: „Wir stehen hinter unserer Recherchearbeit für ‚Die Insider‘-Reihe. Die Redaktion hat sich bemüht, alle Seiten angemessen zu Wort kommen zu lassen – auch dem Unternehmen wurde ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.“

Zum Vorwurf der bezahlten Interviews räumt der Sender ein: „Es ist üblich, dass für Interviews mit ehemaligen Mitarbeitenden Honorare gezahlt werden; dies beeinflusst jedoch nicht den Inhalt oder Wahrheitsgehalt der Aussagen.“

Was bedeutet der Streit für die Reisebranche?

Der Konflikt zwischen TUI und dem ZDF hat das Potenzial, das Vertrauen der Verbraucher in die Reisebranche zu erschüttern. Branchenjournalist Jan Klostermann kommentiert: „TUI kritisiert insbesondere die Wiederholung alter Vorwürfe aus früheren Dokus über andere Reedereien sowie sachlich falsche Angaben zur Abfallentsorgung auf See. Das Unternehmen fordert mehr Sorgfalt im investigativen Journalismus öffentlicher Sender.“

Für TUI steht viel auf dem Spiel. Als größter europäischer Reiseanbieter mit Millionen Kunden jährlich könnte ein Imageschaden erhebliche wirtschaftliche Folgen haben. Das Unternehmen schließt seine Stellungnahme daher mit einem deutlichen Appell: „Wir fordern vom ZDF eine Überprüfung des journalistischen Vorgehens und warnen vor einem Vertrauensverlust in öffentlich-rechtliche Medien durch fehlerhafte Berichterstattung.“

Die Auseinandersetzung zeigt exemplarisch das Spannungsfeld zwischen investigativem Journalismus und Unternehmensinteressen. Während Medien Missstände aufdecken wollen, sehen sich Unternehmen oft unfair behandelt und in ihrer Reputation geschädigt. Für dich als Verbraucher bleibt die Herausforderung, zwischen berechtigter Kritik und übertriebener Darstellung zu unterscheiden.

Geschrieben von: RadioMonster.FM

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