Musik

The Velvet Sundown – echte Band oder KI-erzeugte Musik?

today04.07.2025 1

Hintergrund
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Sie heißen Gabe Farrow, Lennie West, Milo Rains und Orion Del Mar. Gemeinsam wirbeln sie als Band namens The Velvet Sundown gerade die Musikbranche auf. Ihre Songs brechen Rekorde im Streaming und lassen sich bereits im Radio hören. Doch wer sind die vier Emporkömmlinge eigentlich, die ihre künstlerische Heimat im Psychedelic Folk der 70er Jahre sehen – und warum gelingt es ihnen, eine globale Debatte um die Gegenwart und die Zukunft der Musik anzustoßen?

Eine Idylle, die dem Bilderbuch entstammt

© The Velvet Sundown – KI generiertes Band Foto

Ein Bild zeigt vier Männer, die im Musikstudio sitzen. Bekleidet sind sie mit legeren Pullovern und Holzfällerhemden. Zwei von ihnen tragen lange, die anderen beiden dagegen kürzere, aber verwuschelte Haare. Im Alter dürften alle von ihnen irgendwo zwischen Ende 20 und Anfang 30 liegen. Ihre Gesichter wirken unverbraucht. Vom stressigen Alltag auf Touren oder von Exzessen mit Alkohol und Drogen ist nichts zu sehen. Die hier dargestellte Band entspricht bei genauem Hinsehen keinem der zahlreichen Klischees, die in der Branche üblich sind. Vielmehr strahlen die Personen gar nichts aus, was länger als fünf Sekunden im Gedächtnis des Betrachters bleiben will.

Musikalisch sind The Velvet Sundown dagegen im Folk und im Indie-Pop angesiedelt. Ihre Melodien werden mit Gitarre und Schlagzeug eingespielt – wo es sich anbietet, da steuert der Laptop einige digital generierte Töne bei. Die Texte der Männer besingen die Liebe, die tägliche Arbeit und das Leben an sich. Auch für sie gilt, dass sie sich zwar gut hören lassen, aber kaum die Gedanken anregen. Letztlich sind sie sogar derart belanglos, dass selbst ein Schluck Wasser mehr Charisma besitzt. Dennoch steigt die Zahl der Follower und Fans der Band sprunghaft an – in einem Maße, das Diskussionen anregt.

Bereits der schnelle Erfolg löst Zweifel aus

Es sind allerdings nicht alleine die rasant kletternden Follower-Zahlen, die für ungläubige Blicke sorgen. Sondern ebenso der Umstand, dass diese im Juni 2025 – dem ersten Monat, in dem die Band ihre Werke veröffentlicht – gänzlich linear zustande gekommen sind. Heißt, dass es mit Ausnahme lediglich eines Tages im Rhythmus aller 24 Stunden exakt 77 neue Abonnenten des Spotify-Kanals der Band gab und ihre Songs ebenso exakte 18.679 Mal durch Hörer angeklickt wurden, die bis dahin keinen Content von The Velvet Sundown auf der Streamingplattform abgerufen hatten. Erste Zweifel an der Echtheit der Musiker sollten daher erlaubt sein.

Verstärkt werden diese, weil die vier Männer bislang nirgendwo bekannt sind. Ihnen fehlt der klassische Background, der meist aus kleinen Konzerten im Garten der Eltern, aus auf dem Pausenhof verkauften CDs oder aus selbstgemalten Plakaten für den nächsten Gig besteht. Zumindest sollten sich Nachweise in den lokalen Medien oder in Schülerzeitungen finden lassen. Doch dergleichen konnte bislang nicht in Erfahrung gebracht werden. Dass The Velvet Sundown gewissermaßen aus dem Stand innerhalb eines Monats mal eben zwei Alben veröffentlichen, dafür keine Eigenwerbung betreiben und dennoch erfolgreich sind, trägt auch nicht unbedingt zur Glaubwürdigkeit bei.

Hinweise auf den Einsatz der Künstlichen Intelligenz sind vorhanden

Auffällig ist bei alledem schon das Fehlen von Fotos, die einen Rückschluss auf die einzelnen Mitglieder, ihre Herkunft sowie auf gespielte Konzerte und die Zahl der Fans ermöglichen könnten. Zwar sind The Velvet Sundown mit Bildern nicht geizig – die Aufnahmen, die die Band im Studio, beim Essen im Restaurant oder beim Überqueren des berühmten Zebrastreifens der Londoner Abbey Road zeigen, wirken jedoch ab der ersten Betrachtung unecht. Ihnen gleich ist, dass sie verdächtig an jene Darstellungen erinnern, die durch KI-basierte Programme per Mausklick in nur wenigen Sekunden erstellt werden können.

Der Webanbieter Deezer, der wie Spotify im Streaming von Musik tätig ist, hat einzelne Songs der Band überprüft. Zum Einsatz kam dabei eine Software, die Plagiate und künstlich erstellte Lieder erkennen kann. Das Ergebnis dieser Untersuchung war vernichtend: Sowohl die Texte als auch die Musik stammen mit überwältigender Wahrscheinlichkeit nicht aus den Händen von Menschen, sondern wurden maschinell erzeugt. Zugleich hat das Computertool Chartmetric, das für die Analyse der Nutzerdaten in den sozialen Netzwerken zur Anwendung kommt, die meisten Follower und Hörer von The Velvet Sundown als Bots entlarvt. Nur wenige der etwa auf dem Instagram-Account der Musiker verteilten Likes dürften daher echt sein.

Und plötzlich äußert sich die Band

Lange wollten die Musiker auf die Bedenken der Öffentlichkeit nicht eingehen. In den sozialen Plattformen ließen sie ihre Fans allerdings mit ebenso kurzer wie unpersönlicher Nachricht wissen, dass ihre Musik nicht durch die Künstliche Intelligenz erzeugt werde. Und dabei bleibt es bislang auch – mehr Statements, Ankündigungen für Konzerte, mitgeschnittene Live-Auftritte oder Merchandising-Artikel gibt es nicht. Anfragen für Interviews werden nicht abgelehnt, sondern gänzlich ignoriert. Schade, immerhin wäre der kometenhafte Aufstieg ja Anlass genug, um den vier Herren kräftig zu gratulieren. Doch vielleicht sind diese zu schüchtern, um Rede und Antwort zu stehen.

Umso überraschender ist es, dass mit Andrew Frelon der Sprecher von The Velvet Sundown kürzlich doch bereit war, dem renommierten Fachblatt Rolling Stone gegenüber zuzugeben, dass die Songs der Band mit einer App namens Suno generiert wurden. Ein Vorgang, der indes Fragen aufwirft. Denn eine aus der Musikbranche stammende Person mit diesem Namen gibt es nicht. Sämtliche Versuche, die Spuren von Frelon nachzuverfolgen und etwa Presseartikel oder eine wie auch immer geartete Kommunikation mit den Medien zu finden, schlugen fehl. Es mehren sich die Anzeichen, dass es sich hierbei um eine weitere Fake-Identität handelt.

Es geht nicht um die Band – sondern um die Diskussion

Ihre Lieder lassen sich im Radio hören und werden zu Hunderttausenden im Streaming angeklickt: The Velvet Sundown sind zweifelsohne in aller Munde. Eventuell liegt das an ihrer Folk-Musik, die harmlos vor sich hin dudelt. Vielleicht liegt der wahre Grund aber auch darin, dass es sich hierbei um die erste Band der Geschichte handeln könnte, die vollständig durch die Künstliche Intelligenz entstanden ist. Doch ob Menschen oder Computerprogramme hinter den Liedern von The Velvet Sundown stehen, sollte ohnehin nebensächlich sein – wichtiger ist die dadurch angestoßene Debatte.

Längst wird leidenschaftlich gestritten, wie mit KI-Musik umzugehen sei. Während einige in ihr ein Beispiel des technischen Fortschritts sehen, wächst bei echten Musikern die Angst vor der gefälschten Konkurrenz, die ihnen Fans und Follower abwirbt. Daniel Ek, CEO von Spotify, sagte dazu, dass er nicht bereit sei, solche Songs von seiner Plattform zu verbannen. Ob es für sie künftig eine besondere Kennzeichnung geben wird, ist bislang offen. Für Musik-Interessierte wird es dadurch schwieriger, handgemachte von unechten Stücken zu unterscheiden. Eine Diskussion, die maßgeblich durch The Velvet Sundown ins Rollen kam – auch wenn es sich dabei selbst um eine gefakte Band handeln dürfte.

Geschrieben von: admin

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