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Die Schilf-Glasflügelzikade breitet sich rasant in Deutschland aus und verursacht massive Ernteausfälle bei Kartoffeln, Zuckerrüben und anderen Gemüsesorten. Das kleine Insekt überträgt die Pflanzenkrankheit Stolbur, die Pflanzen welken lässt und Knollen ungenießbar macht. Mit Ertragsverlusten von bis zu 70 Prozent im Kartoffelanbau entwickelt sich die Situation zu einer ernsthaften Bedrohung für die heimische Lebensmittelversorgung. Landwirte und Verbände schlagen Alarm und fordern dringend wirksame Bekämpfungsmaßnahmen.
Was vor wenigen Jahren noch hauptsächlich ein Problem in Baden-Württemberg war, hat sich mittlerweile zu einer deutschlandweiten Krise entwickelt. Die Schilf-Glasflügelzikade hat einen beeindruckenden Eroberungsfeldzug hingelegt und ist inzwischen in Rheinland-Pfalz, Bayern, Hessen und sogar bis nach Niedersachsen und Sachsen-Anhalt vorgedrungen. Das Insekt kann jährlich bis zu 30 Kilometer zurücklegen und wird durch den Klimawandel mit wärmeren Sommern und milderen Wintern zusätzlich begünstigt.
Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, macht aus seiner Besorgnis keinen Hehl: „Wir brauchen jetzt Lösungen für 2025, und die können kurzfristig nur in der Notfallzulassung von wirksamen Pflanzenschutzmitteln liegen.“ Er kritisiert die zögerliche Haltung der Politik mit deutlichen Worten: „Man hat offensichtlich den Ernst der Lage nicht erkannt.“
Die eigentliche Gefahr geht nicht direkt von der Zikade aus, sondern von dem Bakterium Candidatus Phytoplasma solani, das sie überträgt. Dieses Bakterium verursacht die Stolbur-Krankheit, die für Pflanzen verheerend ist. Befallene Kartoffelpflanzen beginnen zu welken, ihre Blätter rollen sich zusammen und verfärben sich. Die Knollen selbst werden gummiartig und sind weder für den Verzehr noch für die Weiterverarbeitung geeignet.
Neben Kartoffeln sind auch Zuckerrüben stark betroffen, wo die Krankheit als Syndrom der niedrigen Zuckergehalte (SBR) bekannt ist. Darüber hinaus leiden auch Rote Bete, Sellerie, Kohl, Zwiebeln, Möhren und teilweise sogar Rhabarber und Paprika unter der Infektion. Die betroffene Anbaufläche bei Zuckerrüben hat sich innerhalb eines Jahres von 40.000 auf mindestens 75.000 Hektar nahezu verdoppelt – das entspricht etwa einem Viertel der gesamten deutschen Anbaufläche.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen für betroffene Landwirte sind dramatisch. Isabell Pergner, Umwelt-Referentin des Landesbauernverbandes Baden-Württemberg, berichtet von Ertragsverlusten von bis zu 25 Prozent in Rübenanbaugebieten und bis zu 70 Prozent im Kartoffelanbau allein im vergangenen Jahr. „In einigen Betrieben steht der Fortbestand des Anbaus infrage“, warnt sie. „Die Krankheit entwickelt sich zu einem ernsthaften wirtschaftlichen Risiko für ganze Regionen.“
Besonders betroffen sind Regionen wie Karlsruhe, die Hohenloher Ebene sowie Gebiete um Heilbronn, Ludwigsburg und Stuttgart. Doch das Problem weitet sich immer mehr aus. In Deutschland sind derzeit rund 65.000 Hektar Kartoffelanbaufläche als durch Zikaden gefährdet eingestuft – eine besorgniserregende Entwicklung für ein Land, in dem der Pro-Kopf-Verbrauch von Kartoffeln im Wirtschaftsjahr 2023/24 auf 63,5 Kilogramm gestiegen ist, den höchsten Wert seit zwölf Jahren.
Zunächst die gute Nachricht: Die Stolbur-Krankheit ist für Menschen nicht gesundheitsschädlich. Kartoffeln und Gemüse mit gummiartiger Konsistenz oder Anzeichen von Fäulnis gelangen in der Regel nicht in den Handel. Du musst dir also keine Sorgen machen, versehentlich befallene Produkte zu kaufen.
Allerdings könnte sich die Verfügbarkeit heimischer Kartoffeln und bestimmter Gemüsesorten im Herbst verringern, wenn sich die Krankheit weiter ausbreitet. Dies würde wahrscheinlich zu höheren Preisen führen, da eine geringere Ernte bei gleichbleibender Nachfrage den Markt unter Druck setzt. Stefan Streng von der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker appelliert deshalb: „Wir brauchen hier dringend Unterstützung.“
Die Bekämpfung der Schilf-Glasflügelzikade stellt eine große Herausforderung dar. Prof. Dr. Jürgen Gross, Leiter des JKI-Instituts für Obst- und Weinbau, erklärt das Dilemma: „Es gibt bis heute kein zugelassenes Mittel gegen diesen Schädling.“ Erschwerend kommt hinzu, dass die Zikade noch auf der Liste der bedrohten Arten steht, was die Zulassung wirksamer Pflanzenschutzmittel behindert.
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) kann zwar Notfallzulassungen für Pflanzenschutzmittel erteilen, doch Landwirte und Verbände fordern schnellere und umfassendere Maßnahmen. Parallel arbeiten Wissenschaftler an nachhaltigen Lösungen: An der Universität Regensburg wird an RNA-basierten Methoden geforscht, die gezielt Gene der Insekten ausschalten sollen, und die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft testet verschiedene Kontrollmaßnahmen.
Als vorläufige Strategie setzen einige Landwirte auf frühreife Kartoffelsorten, die weniger anfällig für die Krankheit sind. Allerdings sind diese oft nicht für die industrielle Verarbeitung geeignet, was ihre Anwendbarkeit einschränkt. Eine langfristige Lösung könnte in der Züchtung resistenter Sorten liegen, doch die Forschung dazu steckt noch in den Anfängen.
Der Klimawandel spielt eine entscheidende Rolle bei der Ausbreitung der Schilf-Glasflügelzikade. Höhere Durchschnittstemperaturen und mildere Winter schaffen ideale Bedingungen für die Vermehrung des Insekts. Was einst hauptsächlich in Südeuropa vorkam – in Frankreich ist die Zikade seit den 1990er-Jahren bekannt – findet nun auch in Deutschland zunehmend günstige Lebensbedingungen.
Diese Entwicklung verdeutlicht, wie der Klimawandel nicht nur direkte Auswirkungen wie Extremwetterereignisse mit sich bringt, sondern auch indirekte Folgen wie die Verschiebung von Schädlingsarealen. Ohne wirksame Gegenmaßnahmen und angepasste Anbaustrategien könnte der Kartoffelanbau in Deutschland drastisch zurückgehen – mit weitreichenden Konsequenzen für die heimische Landwirtschaft und Lebensmittelversorgung.
Experten sind sich einig: Die Schilf-Glasflügelzikade und die von ihr übertragene Stolbur-Krankheit stellen eine der größten pflanzenbaulichen Herausforderungen der kommenden Jahre dar. Ob es gelingt, ihre Ausbreitung einzudämmen, wird maßgeblich davon abhängen, wie schnell wirksame Bekämpfungsstrategien entwickelt und umgesetzt werden können.
Geschrieben von: RadioMonster.FM
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