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Pokémon-Chaos im Museum: Wie Pikachu mit Filzhut das Van Gogh Museum lahmlegte

today10.06.2025 17

Hintergrund
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Was als kreative Kooperation zwischen Kunst und Popkultur gedacht war, endete im Chaos. Die limitierte Pokémon-Sammelkarte „Pikachu mit grauem Filzhut“ verwandelte das ehrwürdige Van Gogh Museum in Amsterdam im Herbst 2023 in einen Schauplatz hektischer Szenen. Statt kunstinteressierter Jugendlicher strömten Sammler und Wiederverkäufer in die heiligen Hallen des Museums – mit dramatischen Folgen für die Sicherheit und den Ruf der Institution.

Als Pikachu auf Vincent van Gogh traf

Pokémon-Chaos im Museum: Wie Pikachu mit Filzhut das Van Gogh Museum lahmlegte

Die Idee klang zunächst vielversprechend: Das Van Gogh Museum in Amsterdam startete im September 2023 eine Zusammenarbeit mit der Pokémon Company. Ziel war es, jüngere Generationen für die Kunst des berühmten niederländischen Malers zu begeistern. Im Rahmen dieser Kooperation entstanden mehrere Pokémon-Kunstwerke im Stil von van Goghs berühmten Gemälden, darunter die Promokarte „Pikachu mit grauem Filzhut“ – eine charmante Neuinterpretation von van Goghs bekanntem Selbstporträt.

„Diese Zusammenarbeit wird es der nächsten Generation ermöglichen, Vincent van Goghs Kunst und Lebensgeschichte auf eine erfrischende Weise kennenzulernen“, erklärte Emilie Gordenker, Generaldirektorin des Van Gogh Museums, zu Beginn der Aktion. Die Pokémon-Figuren sollten als kulturelle Brückenbauer fungieren und gleichzeitig auf die gemeinsamen japanischen Einflüsse in van Goghs Werk und der Pokémon-Welt hinweisen.

Als die Sammler das Museum stürmten

Was die Museumsleitung jedoch unterschätzt hatte, war die Leidenschaft und Beharrlichkeit der Pokémon-Sammler. Statt kunstinteressierter Kinder und Jugendlicher erschienen vor allem Sammler und sogenannte „Scalper“ – Personen, die begehrte Sammlerstücke aufkaufen, um sie mit Gewinn weiterzuverkaufen. Der Souvenirshop des Museums wurde regelrecht überrannt.

Die exklusive Promokarte war ursprünglich als Belohnung für Besucher gedacht, die einen „Quest“ durch das Museum absolvierten und sich so mit van Goghs Werken auseinandersetzten. Doch die Realität sah anders aus: Die Karten waren binnen kürzester Zeit vergriffen, was zu Enttäuschung und Frust bei vielen Besuchern führte, die extra für diese Aktion angereist waren.

Besonders ärgerlich: Kaum waren die Karten verteilt, tauchten sie bereits zu horrenden Preisen von bis zu 500 Euro auf Online-Plattformen wie eBay auf. Das Museum sah sich schließlich gezwungen, die Aktion aus Sicherheitsgründen abzubrechen. „Eine kleine Gruppe von Personen hat eine unerwünschte Situation geschaffen“, hieß es in einer Erklärung des Museums im Oktober. Das Verhalten einiger Besucher habe die Atmosphäre im Museum gestört und die Sicherheit gefährdet.

Der Marktwert einer Filzhut-Rarität

Heute, knapp zwei Jahre nach dem Vorfall, hat sich der Hype um die „Pikachu mit grauem Filzhut“-Karte etwas gelegt. Dennoch wird sie nach wie vor zu beachtlichen Preisen gehandelt. Auf verschiedenen Online-Plattformen werden für die Karte mehrere hundert Euro aufgerufen, wobei der genaue Preis stark vom Zustand der Karte und vom Anbieter abhängt.

Sammlerexperten vergleichen die Preisentwicklung bereits mit anderen ikonischen Sammelkarten wie der ersten Glurak-Edition. Insbesondere versiegelte Exemplare der Van-Gogh-Pikachu-Karte erzielen Höchstpreise, da sie als Beleg für die Authentizität und den tadellosen Zustand gelten.

Nach dem anfänglichen Chaos versuchte das Museum übrigens, die Situation zu beruhigen und kündigte eine Neuauflage der Karten für Anfang 2024 an – diesmal mit strengeren Sicherheitsmaßnahmen und einer kontrollierteren Verteilung, auch über ausgewählte Geschäfte in den Niederlanden.

Popkultur trifft auf Quiz-Prominenz

Dass die Geschichte rund um Pikachu im Van Gogh Museum keineswegs vergessen ist, zeigte sich erst gestern Abend in der RTL-Quizshow „Wer wird Millionär?“. Kandidat Jannik Kuhle stand vor der 32.000-Euro-Frage, die sich genau auf diesen Vorfall bezog. Nachdem er sowohl den Telefonjoker als auch den 50:50-Joker bemüht hatte, konnte er korrekt antworten, dass das Van Gogh Museum in Amsterdam der Schauplatz des Pikachu-Hypes war.

Der Fall zeigt eindrucksvoll, wie die Verschmelzung von Hochkultur und Popkultur ungeahnte Dynamiken entwickeln kann. Was als wohlmeinende Initiative zur Kunstvermittlung begann, geriet durch die Marktmechanismen des Sammelkartenhypes außer Kontrolle. Für Museen und Kulturinstitutionen weltweit dürfte der Fall eine wichtige Lektion sein: Die Anziehungskraft beliebter Popkultur-Phänomene wie Pokémon kann ein zweischneidiges Schwert sein – sie lockt zwar neue Besuchergruppen an, kann aber auch unerwünschte Nebenwirkungen mit sich bringen.

Für Sammler bleibt die „Pikachu mit grauem Filzhut“-Karte ein begehrtes Objekt, das zwei Welten verbindet: die zeitlose Kunst Vincent van Goghs und das moderne Phänomen Pokémon. Dass dies zu chaotischen Szenen in einem der renommiertesten Kunstmuseen der Welt führen würde, hätte wohl niemand vorhersehen können – am wenigsten der Maler selbst, der zu Lebzeiten kaum Anerkennung fand und nun, posthum, seine Werke mit kleinen gelben Taschenmonster teilen muss.

Geschrieben von: RadioMonster.FM

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