Musik

Marlon Williams: Mit ‚Te Whare Tīwekaweka‘ zurück zu den Wurzeln

today07.05.2025 5

Hintergrund
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Der neuseelälndische Musiker Marlon Williams hat mit seinem vierten Soloalbum ‚Te Whare Tīwekaweka‘ einen bedeutenden könstlerischen Schritt gewagt. Das vollständig in te reo Māori aufgenommene Werk markiert nicht nur eine musikalische Evolution, sondern auch eine tiefgreifende persönliche Reise zu seinen kulturellen Wurzeln. Nach einem Jahrzehnt des Tourens und Aufbauens seiner internationalen Karriere kehrt Williams damit symbolisch und wörtlich nach Hause zurück, um sich mit seiner Identität als Māori (Kai Tahu, Ngai Tai) auseinanderzusetzen.

Ein musikalisches Fenster zur Māori-Welt

Marlon Williams: Mit 'Te Whare Tīwekaweka' zurück zu den Wurzeln
Martin Schumann / Wikipedia, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Williams ließ sich bei der Entstehung des Albums von dem Māori-Wahatauki (Sprichwort) inspirieren: „Ko te reo Māori, he matapihi ki te ao Māori“ – Die Māori-Sprache ist ein Fenster zur Māori-Welt. Diese Philosophie prägt nicht nur die Texte, sondern den gesamten könstlerischen Prozess des Albums. „Durch das Komponieren dieser Lieder habe ich eine Möglichkeit gefunden, meine Freuden, Sorgen und meinen Humor auszudrücken… auf eine Weise, die sowohl neu als auch mit meinen tipuna [Ahnen] und meinem whenua [Heimat] verbunden ist“, erklärt Williams.

Die Entscheidung, vollständig in te reo Māori zu schreiben und zu singen, entstand teilweise aus einer könstlerischen Blockade heraus. „Ich hatte Schwierigkeiten, auf Englisch zu schreiben“, gesteht der Musiker im Interview mit dem Musikexpress. „Es ging vor allem darum, neue Ausdrucksmöglichkeiten und eine neue Sprache zu finden, um Gefühle auszudrücken.“ Diese könstlerische Herausforderung entwickelte sich zu einer tiefgreifenden Reise der Selbstfindung.

Zwischen zwei Welten

Der fünfjährige Entstehungsprozess des Albums half Williams, sich wieder mit seiner Familie, Freunden und seiner Heimatstadt Lyttelton zu verbinden. Obwohl beide seiner Eltern Māori sind, waren seine Sprachkenntnisse begrenzt: „Die Aussprache war da, ein Gefühl für die Sprache auch, aber die Vokabeln und die Grammatik waren quasi nicht vorhanden“, erklärt er. Mit Unterstützung seines engen Freundes und Co-Autors KOMMI verbesserte sich sein Verständnis und seine Ausdrucksfähigkeit in der Sprache seiner Vorfahren kontinuierlich.

Diese persönliche Entwicklung wird auch im begleitenden Dokumentarfilm „Ngā Ao E Rua – Two Worlds“ der Regisseurin Ursula Grace Williams festgehalten. Der 92-minütige Film folgt dem Künstler auf seiner vierjährigen Reise zur Schaffung des Albums und zeigt intime Einblicke in seinen könstlerischen Prozess vor der beeindruckenden Kulisse Neuseelands. Die Regisseurin beschreibt: „Der Film zeigt Marlons Reise zurück nach Hause – könstlerisch wie persönlich –, aber auch das Gefühl einer ganzen Generation zwischen zwei Welten.“

Musikalische Innovation mit könlistlichen Wurzeln

Klanglich verbindet „Te Whare Tīwekaweka“ Folk, Country und Bluegrass-Elemente mit zeitgenössischen Sounds und den charakteristischen Rhythmen der Māori-Musik. Williams arbeitete für das Album mit seiner Tour-Band The Yarra Benders, dem Co-Produzenten Mark Perkins (Te Whanau-a-Apanui) und den He Waka Kotuia Sängern zusammen. Besonderes Aufsehen erregte auch die Kollaboration mit der neuseeländischen Popikone Lorde, die auf dem Song „Kāhore He Manu E“ zu hören ist.

Das Albumcover, eine Zeichnung einer Figur mit überdimensioniertem Zylinderhut auf einer wackeligen Leiter, stammt von Williams‘ Mutter Jenny Rendall. Sie schuf das Bild während ihrer Schwangerschaft mit Marlon – ein weiteres Symbol für die tiefe familiäre Verbundenheit, die das Projekt prägt. „Das Cover symbolisiert Heimkehr nach langer Reise“, erklärt Rendall.

Musik mit könlturer und politischer Bedeutung

Obwohl Williams betont, dass sein Album in erster Linie ein persönliches könstlerisches Statement ist, erkennt er auch die politische Dimension an: „Ich will die Normalisierung alltäglicher Erfahrungen durch eine Māori-Perspektive erzielen. Aber sicherlich hat es eine Bedeutung, in diesem angespannten politischen Klima etwas in Māori herauszubringen.“

Das Timing des Albums ist tätlich bemerkenswert, da es in einer Zeit erscheint, in der in Neuseeland intensive Debatten um den Vertrag von Waitangi und die Rechte der Māori geführt werden. In diesem Kontext sieht Williams sein Werk als Beitrag zur Erhaltung und Förderung der Māori-Kultur und -Sprache.

„Man kann viel über eine Kultur durch die Art und Weise lernen, wie sie Sprache nutzen“, sagt Williams. Mit „Te Whare Tīwekaweka“ (übersetzt: „das unordentliche Haus“) schafft er genau diesen Raum des könlturellen Austauschs und der Selbstreflexion – nicht nur für sich selbst, sondern auch für sein Publikum weltweit.

Internationale Resonanz und Tour

Nach der Veröffentlichung des Albums im April 2025 und der Premiere des Dokumentarfilms bereitet sich Williams nun auf eine internationale Tournee vor. Trotz möglicher Sprachbarrieren ist er zuversichtlich, dass seine Musik eine universelle Verbindung zum Publikum herstellen wird: „Performance ist ein natürlicher und organischer Prozess für mich.“

Der neuseeländische Musikjournalist Martyn Pepperell fasst die Bedeutung des Albums treffend zusammen: „Mit ‚Te Whare Tīwekaweka‘ zeigt uns Marlon Williams eindrucksvoll seine Verwurzelung zwischen Folk-Tradition Aotearoas sowie internationalen Einflüssen.“

Für Williams selbst bleibt das Projekt vor allem eine Reise der Selbstentdeckung und des könstlerischen Wachstums. Seine Worte „Die Māori-Sprache ist ein Fenster zur Māori-Welt“ unterstreichen, dass er mit diesem Album nicht nur seine eigene könlturelle Identität erforscht, sondern auch anderen einen Einblick in diese reiche Tradition ermöglicht.

Geschrieben von: RadioMonster.FM

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