Wirtschaft & Politik

Kartoffelkrise in Russland: Putin gesteht Engpässe ein – Preise explodieren um 166 Prozent

today30.05.2025 49

Hintergrund
share close

Die Bürger Russlands stehen vor leeren Regalen und astronomischen Preisen, wenn es um eines ihrer wichtigsten Grundnahrungsmittel geht: Kartoffeln. Was lange Zeit als Gerücht abgetan wurde, hat Präsident Wladimir Putin nun offiziell bestätigt. „Wir haben nicht genug Kartoffeln“, erklärte er gestern im russischen Staatsfernsehen bei einer Sitzung mit Wirtschaftsvertretern. Was auf den ersten Blick banal klingen mag, ist in Wahrheit ein Eingeständnis einer tiefgreifenden Versorgungskrise, die das ganze Land erfasst hat. Die Preise für die beliebten Knollen sind innerhalb eines Jahres um schwindelerregende 166,5 Prozent gestiegen – ein Rekordwert seit Beginn der offiziellen Statistiken im Jahr 2002.

Die Ursachen der Kartoffelknappheit

Kartoffelkrise in Russland: Putin gesteht Engpässe ein - Preise explodieren um 166 Prozent
Gregor Tatschl, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Der dramatische Anstieg der Kartoffelpreise hat mehrere Gründe. Zum einen haben schlechte Wetterbedingungen mit Frostperioden und Dürre zu erheblichen Ernteausfällen geführt. Im vergangenen Jahr produzierte Russland lediglich 7,3 Millionen Tonnen Kartoffeln – 1,2 Millionen Tonnen weniger als im Vorjahr. Das ist besonders problematisch, da der jährliche Inlandsbedarf bei etwa acht Millionen Tonnen liegt.

Paradoxerweise hatte eine Rekordernte im Jahr 2023 dazu geführt, dass viele Landwirte ihre Anbauflächen für Kartoffeln reduzierten, nachdem die Preise damals stark gefallen waren. Diese Entscheidung rächt sich nun bitter. Das russische Landwirtschaftsministerium hat bereits bestätigt, dass die Ernte des Vorjahres nahezu aufgebraucht ist.

Verzweifelte Suche nach Lösungen

In seiner Not wandte sich Putin an den belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko. Doch selbst der enge Verbündete konnte nicht helfen. „Ich habe mit Alexander Lukaschenko gesprochen. Er sagte, sie hätten bereits alles an Russland verkauft“, zitierte Putin den belarussischen Machthaber. Lukaschenko rief daraufhin seine Landsleute zum verstärkten Kartoffelanbau auf: „Wir müssen so viel anbauen, dass es für uns und für Russland reicht.“

Die russische Regierung hat mittlerweile zollfreie Kartoffeleinfuhren aus „befreundeten Ländern“ genehmigt. Nachdem die Vorräte in Belarus erschöpft waren, importierte Russland im Mai über 4.000 Tonnen Kartoffeln aus der Mongolei – ein ungewöhnlicher Schritt, der die Verzweiflung der Lage unterstreicht.

Regionale Unterschiede und staatliche Eingriffe

Die Kartoffelkrise trifft die verschiedenen Regionen Russlands unterschiedlich hart. In St. Petersburg stiegen die Preise von Januar bis April um 47 Prozent auf 88 Rubel pro Kilogramm, wie der Abgeordnete Andrej Rjabokon berichtete. In Kaliningrad wurde die Lage so kritisch, dass Gouverneur Alexei Besprozvannykh den Export von Kartoffeln komplett verbot, nachdem die Preise dort ebenfalls drastisch angestiegen waren.

Boris Tschernyschow, stellvertretender Sprecher der Staatsduma, forderte in einem Schreiben an Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow staatliche Preisregulierungen: „Hohe Preisschwankungen bei einem sozial bedeutenden Produkt wie Kartoffeln belasten die Haushalte erheblich.“ Diese Forderung zeigt, wie brisant die Situation inzwischen geworden ist.

Die Kartoffelkrise als Symptom einer größeren Wirtschaftskrise

Die Probleme bei der Kartoffelversorgung sind nur die Spitze des Eisbergs einer viel tieferen wirtschaftlichen Krise. Die russische Wirtschaft leidet unter einem drastischen Rückgang der Einnahmen aus Öl- und Gasverkäufen, was den Kreml dazu zwingt, wichtige Fördermaßnahmen für verschiedene Industrien zu streichen.

Alexandra Prokopenko vom Carnegie Russia Eurasia Center analysiert die Situation schonungslos: „Die Preise steigen wegen des Kriegs. Die Nachfrage in der Wirtschaft ist zugunsten der unproduktiven Ausgaben verzerrt.“ Der Ukraine-Krieg verschärft die Situation zusätzlich, da viele Männer für den Kriegsdienst eingezogen wurden, was zu einem gravierenden Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft führt.

Die Lebensmittelpreise in Russland sind insgesamt um 12,66 Prozent zwischen April 2024 und April 2025 gestiegen. Butter und einige Fleischsorten waren Ende 2024 bereits um 25 Prozent teurer als im Vorjahr. Laut Analysten von Romir flossen im April 2025 bereits 34,6 Prozent der Haushaltsausgaben in Lebensmittel – eine enorme Belastung für viele Familien.

Aussichten für die Zukunft

Das russische Landwirtschaftsministerium plant, die Anbauflächen zu vergrößern, um die Preise in der kommenden Saison zu stabilisieren. Experten warnen jedoch vor steigenden Kosten für Döngemittel und Pflanzenschutzmittel, was die Bemühungen erschweren könnte.

Die Zentralbank Russlands hat in einem verzweifelten Versuch, die Inflation einzudämmen, den Leitzins auf 21 Prozent angehoben. Trotz offizieller Beteuerungen, dass eine baldige wirtschaftliche Wende zu erwarten sei, bleibt diese angesichts des festgefahrenen Konflikts und bevorstehender westlicher Sanktionen äußerst fraglich.

Die Kartoffelkrise trifft die russische Bevölkerung besonders hart, da die Knolle in der russischen Küche eine zentrale Rolle spielt und als Grundnahrungsmittel gilt. Viele Russen spüren die Auswirkungen der wirtschaftlichen Probleme ihres Landes nun täglich am eigenen Leib – oder besser gesagt: am eigenen Teller.

Kartoffeln

Geschrieben von: RadioMonster.FM

Rate it

AD
AD