Musik

Goth: Eine tiefgründige Reise durch die dunkle Seite der Musikkultur

today13.06.2025 5

Hintergrund
share close

Ein umfassendes Werk über schwarze Kleidung, düstere Musik und eine faszinierende Subkultur – der britische Musikjournalist John Robb nimmt dich in seinem neuesten Buch „Goth“ mit auf eine Zeitreise durch die Entstehung und Entwicklung einer der faszinierendsten Musikbewegungen. Auf 624 Seiten entfaltet sich ein Panorama voller Sex, Tod und Haarspray, das sowohl Kenner als auch Neulinge in seinen Bann ziehen wird. Der Ventil Verlag bringt mit dieser deutschen Übersetzung ein Standardwerk auf den Markt, das die Geschichte des Goth von seinen Wurzeln bis in die Gegenwart nachzeichnet.

Die Geburt einer Subkultur im Schatten des Punk

Goth: Eine tiefgründige Reise durch die dunkle Seite der Musikkultur
Phil King, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

Robb beginnt seine Erzählung in den späten Siebzigern, als der Punk England eroberte und in seinem Schatten etwas Neues, Dunkleres entstand. Er beschreibt anschaulich, wie sich die frühe Goth-Ästhetik aus verschiedenen Einflüssen speiste: „Der Look war wichtig… eine Ästhetik, die sich aus der Schauerliteratur des 19. Jahrhunderts, S/M-Mode, B-Movies und auch etwas Kitsch bedient“, zitiert Robb die Ursprünge des markanten Stils. Besonders interessant ist seine Darstellung, wie die Musik der Goths verschiedene Stilrichtungen von Disco über Glam-Rock bis hin zu Afrobeat in sich vereinte.

Als ehemaliger Mall-Goth der späten 90er Jahre reflektiert Robb auch seine persönlichen Erfahrungen mit der Szene. Er beschreibt, wie er sich anfangs in die Kultur hineinzufinden versuchte, letztendlich aber an der für ihn unzugänglichen Musik scheiterte. Diese persönliche Perspektive macht das Buch authentisch und nahbar.

Auf den Spuren der musikalischen Ahnen

Ein großer Teil des Buches widmet sich der Herkunft des Begriffs „Gotik“ und den musikalischen Vorläufern des Genres. Robb erklärt, dass der Begriff ursprünglich im Mittelalter als Verunglimpfung verwendet wurde, bevor er später eine kulturelle Wiederbelebung erfuhr. Besonders spannend ist seine Analyse der musikalischen Prototypen: Johnny Cash, The Doors und andere Künstler werden als wichtige Einflüsse identifiziert.

„Die Doors waren die wahren Begründer des Goth-Rocks. Sex. Tod, Psychodrama. Ihr Vermächtnis war Vorbote einer Kultur, die noch kommen sollte“, schreibt Robb und zeigt damit die tieferen kulturellen Wurzeln des Genres auf. In seinem Kapitel „All The Children Are Insane Or People Are Strange“ analysiert er detailliert, wie Jim Morrison und seine Band unbewusst den Grundstein für eine ganze Bewegung legten.

Die goldene Ära: Die Achtziger Jahre

Ab dem 13. Kapitel fokussiert sich Robb auf die Bands, die den eigentlichen Goth-Sound der 80er Jahre prägten. Er beschreibt, wie Gruppen wie Siouxsie And The Banshees aus der Punk-Bewegung hervorgingen und einen neuen Stil entwickelten, ohne sich selbst jemals als „Goth“ zu bezeichnen. Siouxsie Sioux wird dabei als erstes weltweites Role Model für Goths porträtiert – eine Ikone, die bis heute nachwirkt.

Die Entwicklung der Szene in Großbritannien steht im Mittelpunkt, was durchaus als britisch-zentrierter Blickwinkel kritisiert werden kann. Dennoch gelingt es Robb, die Atmosphäre dieser prägenden Zeit einzufangen und die wichtigsten Akteure vorzustellen.

Schwächen in der modernen Darstellung

Die Behandlung der 90er Jahre und der Gegenwart gerät im Vergleich zu den ausführlichen historischen Kapiteln etwas kurz. Hier wirkt das Buch stellenweise gehetzt und weniger detailliert. „Wo vorher viel Wissen und selbst Erlebtes in das Buch einfloss, wirkt das letzte Kapitel wie ein schnell zusammengeschriebener Wikipedia-Eintrag“, könnte man kritisch anmerken.

Robb neigt zudem dazu, die heutige Goth-Szene teilweise auf ihre extremeren Auswüchse zu reduzieren, was ein etwas verzerrtes Bild vermitteln kann. Hier wäre eine differenziertere Betrachtung wünschenswert gewesen.

Sprachliche Qualität und Übersetzung

Die deutsche Übersetzung von Joachim Hiller verdient besondere Erwähnung. Sie verbessert die inhaltliche Qualität gegenüber der englischen Originalausgabe, indem sie Fehler bereinigt und die Fußnoten übersichtlicher gestaltet. Trotz kleinerer Mängel bleibt „Goth“ eine unterhaltsame Lektüre, die von Robbs offensichtlicher Leidenschaft für die Musikkultur lebt.

Der lockere, manchmal humorvolle Schreibstil macht das Buch zugänglich, auch wenn du dich bisher nicht intensiv mit der Goth-Kultur beschäftigt hast. Robbs persönliche Sichtweise und sein Enthusiasmus sind auf jeder Seite spürbar.

Mehr als nur ein Nachschlagewerk

„Goth“ sollte nicht als vollständige Enzyklopädie betrachtet werden – dafür sind einige Aspekte zu oberflächlich behandelt. Vielmehr bietet es wertvolle Einblicke in die Ursprünge und prägenden Figuren des Genres aus der persönlichen Perspektive eines Kenners der Szene.

Wenn du tiefer in die Thematik eintauchen möchtest, sind ergänzend das gleichnamige Buch von Lol Tolhurst oder „Post-Punk: Rip It Up And Start Again“ von Simon Reynolds empfehlenswert. Dennoch bleibt Robbs Werk ein wichtiger Beitrag zum Verständnis dieser faszinierenden Subkultur.

Für 32 Euro erhältst du mit „Goth“ ein umfangreiches Werk, das trotz seiner Schwächen eine lohnenswerte Investition für alle darstellt, die sich für die Geschichte alternativer Musikbewegungen interessieren. Robbs Leidenschaft für die Thematik zieht dich in ihren Bann und eröffnet neue Perspektiven auf eine Kultur, die weit mehr zu bieten hat als nur schwarze Kleidung und düstere Musik.

Geschrieben von: RadioMonster.FM

Rate it

AD
AD