Musik

Billige Plätze: Wie Rike van Kleef die Musikbranche revolutionieren will

today11.06.2025 11

Hintergrund
share close

Die Musikindustrie ist noch immer ein Boysclub – und Rike van Kleef hat genug davon. In ihrem neuen Buch „Billige Plätze“ rechnet die Bookerin und Journalistin mit den patriarchalen Strukturen ab und zeigt, wie tief die Geschlechterungleichheit in der Branche verankert ist. Mit schonungsloser Offenheit legt sie den Finger in die Wunde einer Industrie, in der FLINTA*-Personen (Frauen, Lesben, inter, non-binär, trans, agender) systematisch benachteiligt werden. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Bei großen Festivals wie Rock am Ring bestehen 92 Prozent der Acts ausschließlich aus Männern, die Headliner sogar zu 100 Prozent.

Gender, Macht und Diskriminierung in der Musikbranche

Billige Plätze: Wie Rike van Kleef die Musikbranche revolutionieren will

Was van Kleef in „Billige Plätze“ besonders eindrucksvoll demonstriert: Die oft vorgebrachten Ausreden für den Mangel an FLINTA*-Künstler*innen sind schlichtweg falsch. „Es gibt genügend talentierte Künstlerinnen und nicht-binäre Acts – sie müssen nur endlich stärker gebucht werden“, erklärt sie im SWR-Interview zur aktuellen Kritik an den Line-ups großer Festivals. Die Realität sieht anders aus: Bei Rock am Ring und Rock im Park stehen in diesem Jahr nur fünf rein weiblich besetzte Bands auf der Bühne – im Vergleich zu 84 rein männlichen Acts.

Die Autorin bringt eine beeindruckende Expertise mit. Als Bookerin und Journalistin hat sie die Branche von innen kennengelernt und kombiniert in ihrem Buch persönliche Erfahrungen mit fundierten wissenschaftlichen Daten. „Auch 2025 gilt: Die deutsche Musiklandschaft ist ein ziemlicher Boysclub! Egal ob auf Festivalbühnen oder bei den Themen, die in der Branche besprochen werden … Es geht meist männlich zur Sache“, betonte van Kleef kürzlich in einem Interview mit FluxFM.

Die Strukturen hinter dem Problem

Van Kleef belässt es nicht bei der Kritik an der Bühnenbesetzung. Sie zeigt auf, dass die Entscheidungsmacht in der Musikbranche größtenteils in Männerhänden liegt. „Männer entscheiden – FLINTA* assistieren oft nur. Diese Strukturen müssen dringend durchbrochen werden!“, so ein zentraler Punkt ihres Buches. Die Autorin macht deutlich, dass es nicht ausreicht, mehr FLINTA* auf die Bühne zu bringen – sie müssen auf allen Ebenen der Branche vertreten sein.

Besonders alarmierend sind ihre Ausführungen zum Gender Pay Gap. FLINTA*-Personen verdienen in der Musikbranche durchschnittlich weniger als Männer, selbst bei identischer Tätigkeit. Hinzu kommen weitere Herausforderungen wie sexuelle Übergriffe und die ungleiche Verteilung von Care-Arbeit, die FLINTA* in ihrer beruflichen Entwicklung behindern.

Alltägliche Diskriminierung

Ein Aspekt, der im Buch besonders hervorsticht, ist die Beschreibung der alltäglichen Diskriminierungen. Van Kleef beleuchtet, wie selbst grundlegende Infrastrukturen für FLINTA* problematisch sein können – von unzureichenden Sanitäranlagen bis hin zu fehlenden sicheren Räumen. Der Frust über die weitverbreitete Ignoranz und Gleichgültigkeit in der Branche ist deutlich spürbar.

„Bei einer Lesung im Rahmen des M4Music-Festivals erklärte Van Kleef praxisnah: ‚Booker*innen können diversere Line-ups gestalten – es braucht aber Mut zur Veränderung und klare Vorgaben für mehr FLINTA*-Präsenz.'“ Sie fordert außerdem sichere Räume für marginalisierte Gruppen auf Festivals sowie transparente Gagenstrukturen.

Lösungsansätze für eine gerechtere Musikbranche

Im letzten Drittel ihres Buches geht van Kleef von der Analyse zur Handlung über. Sie bietet konkrete Strategien, wie die Situation verbessert werden kann:

1. Mehr FLINTA* buchen und einstellen – auf allen Ebenen der Branche

2. FLINTA* sollten sich vernetzen und gegenseitig unterstützen

3. Eine sichtbare Zukunft für nachfolgende Generationen schaffen

Besonders wichtig ist der Autorin, dass ihr Buch nicht nur FLINTA*-Personen anspricht, sondern explizit auch Männer in Entscheidungspositionen. Sie ruft dazu auf, bestehende Privilegien zu erkennen und aktiv abzubauen. „Diversität verbessert nachweislich das Arbeitsklima für alle Beteiligten“, betont van Kleef.

Ein Buch für alle Musikliebhaber*innen

„Billige Plätze“ ist kein leichter Lesestoff – van Kleef konfrontiert dich mit unbequemen Wahrheiten. Doch genau das macht das Buch so wertvoll. Es ist eine fundierte Analyse der Geschlechterungleichheit in der Musikbranche und gleichzeitig ein leidenschaftlicher Aufruf zum Handeln.

Die Problematik beschränkt sich übrigens nicht nur auf die Rockszene. Van Kleef betont, dass die Geschlechterungleichheit kein exklusives Problem einzelner Genres ist – auch Jazz oder Klassik sind weiterhin männlich dominiert. „Die Strukturen müssen überall aufgebrochen werden“, fordert sie.

Wenn du die Musikbranche verstehen oder gar in ihr arbeiten willst, ist dieses Buch unverzichtbar. Es öffnet die Augen für Missstände, die du vielleicht bisher übersehen hast, und zeigt Wege auf, wie du selbst zu einer gerechteren Branche beitragen kannst.

Geschrieben von: RadioMonster.FM

Rate it

AD
AD