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8. Mai 2025 in Berlin: Warum nur die Hauptstadt den Tag der Befreiung als Feiertag begeht

today08.05.2025 60

Hintergrund
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Heute jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa zum 80. Mal. Während in Berlin Geschäfte geschlossen bleiben und zahlreiche Gedenkveranstaltungen stattfinden, ist der 8. Mai in allen anderen Bundesländern ein gewöhnlicher Arbeitstag. Diese unterschiedliche Handhabung wirft Fragen auf: Warum wird der Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus nur in der Hauptstadt als gesetzlicher Feiertag begangen? Welche Bedeutung hat dieses historische Datum für Deutschland und Europa? Und wie wird der Tag in anderen Ländern gewürdigt?

Historische Bedeutung des 8. Mai 1945

8. Mai 2025 in Berlin: Warum nur die Hauptstadt den Tag der Befreiung als Feiertag begeht
Dr. Frank Gaeth, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Der 8. Mai 1945 markiert einen entscheidenden Wendepunkt in der europäischen Geschichte. In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai unterzeichneten Vertreter der deutschen Wehrmacht im heutigen Museum Berlin-Karlshorst die bedingungslose Kapitulation vor den alliierten Siegermächten USA, Großbritannien, Frankreich und der Sowjetunion. Damit endete nicht nur der Zweite Weltkrieg in Europa, sondern auch die zwölfjährige Terrorherrschaft des nationalsozialistischen Regimes.

Die menschlichen Verluste dieses Krieges waren verheerend: Über 60 Millionen Menschen verloren ihr Leben, darunter mehr als sechs Millionen europäische Jüdinnen und Juden, die dem systematischen Völkermord der Nationalsozialisten zum Opfer fielen. Die Kapitulation bedeutete somit nicht nur das Ende eines Krieges, sondern auch die Befreiung von einer menschenverachtenden Ideologie.

Berlin: Einmaliger Feiertag zum 80. Jahrestag

Während der 8. Mai in den meisten Bundesländern lediglich ein Gedenktag ist, hat Berlin den Tag zum 80. Jahrestag als einmaligen gesetzlichen Feiertag erklärt. Der Berliner Senat begründet diese Entscheidung mit der besonderen historischen Bedeutung und der Notwendigkeit, das Bewusstsein für diesen Tag zu stärken.

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) betonte bei einer Gedenkfeier im Roten Rathaus: „Es ist unsere Verantwortung, dass wir niemals vergessen. Es ist unsere Verantwortung, dafür zu sorgen, dass sich Geschichte nicht wiederholt. Es ist unsere Verantwortung, für die Demokratie einzutreten und sie gegen Feinde von innen und außen zu verteidigen.“

Auch die Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD) unterstrich die Bedeutung des Tages: „Ein friedliches Zusammenleben der Völker ist nach wie vor keine Selbstverständlichkeit.“ Der Feiertag soll daran erinnern, dass Frieden und Demokratie keine Selbstverständlichkeit sind und aktiv verteidigt werden müssen.

Veranstaltungen und Gedenken in Berlin

In der Hauptstadt finden heute zahlreiche Gedenkveranstaltungen statt. Eine Open-Air-Ausstellung mit dem Titel „Endlich Frieden?!“ auf dem Pariser Platz thematisiert vom 2. bis 11. Mai die Auswirkungen der militärischen Niederlage Deutschlands. Der Eintritt ist frei.

Für diejenigen, die sich für einen jährlichen Feiertag am 8. Mai einsetzen, beginnt um 10 Uhr eine Demonstration am Bebelplatz. Verschiedene Fahrradkorsos, unter anderem von Tempelhof nach Karlshorst und von Karlshorst nach Mitte, bieten die Möglichkeit, historische Orte zu besuchen.

Als symbolisches Zeichen wird das Brandenburger Tor nach Einbruch der Dunkelheit mit dem ersten Satz des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ illuminiert. Wegner erklärte dazu: „Dies sendet ein klares Signal und erinnert an den ersten Artikel unseres Grundgesetzes, der nach den schrecklichen Erfahrungen des Nationalsozialismus formuliert wurde.“

Auch verschiedene Gottesdienste finden statt, darunter eine Veranstaltung unter dem Motto „Erinnern für den Frieden“ in der Gedächtniskirche von 14 bis 17 Uhr und ein Gedenkgottesdienst im Berliner Dom um 18 Uhr.

Praktische Auswirkungen des Feiertags

Als gesetzlicher Feiertag bedeutet der 8. Mai für die Berliner Bevölkerung, dass die meisten Geschäfte und Supermärkte geschlossen bleiben. Ausnahmen gelten für Verkaufsstellen in Bahnhöfen, am Flughafen und an Tankstellen. Einige Bäckereien haben geöffnet, beispielsweise die Kette „Junge“ sowie die fünf Filialen von „Zeit für Brot“ von 8 bis 18 Uhr.

Schulen und Kindertagesstätten bleiben geschlossen, ebenso wie Behörden und Ämter. Der öffentliche Nahverkehr in Berlin fährt nach dem Feiertagsfahrplan. Ab morgen kehrt alles wieder zum regulären Betrieb zurück.

Museen sind hingegen meist geöffnet und bieten teilweise spezielle Programme an. Das Jüdische Museum Berlin ist von 10 bis 18 Uhr geöffnet und gewährt freien Eintritt zur Dauerausstellung. Auch die Gedenkstätte Deutscher Widerstand kann von 10 bis 18 Uhr kostenfrei besucht werden.

Unterschiedliche Erinnerungskulturen in Deutschland

Die Wahrnehmung des 8. Mai hat sich in Deutschland im Laufe der Jahrzehnte stark gewandelt. Peter Hurrelbrink, Experte für Erinnerungskultur, erklärt, dass die Teilung Deutschlands zu unterschiedlichen Erinnerungsansätzen führte. In Westdeutschland dominierte lange die Sichtweise der Niederlage und der „Stunde Null“, während in der DDR der 8. Mai ab 1950 zum nationalen Feiertag erklärt wurde, um den antifaschistischen Widerstand und die Rolle der Sowjetunion hervorzuheben.

Ein Meilenstein in der westdeutschen Erinnerungskultur war die Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker im Jahr 1985, in der er den 8. Mai als „Tag der Befreiung“ bezeichnete. Diese Charakterisierung war zunächst umstritten, da viele Deutsche sich weiterhin als besiegt fühlten. Kritiker argumentieren bis heute, dass diese Darstellung die breite Unterstützung der deutschen Bevölkerung für das NS-Regime verharmlost.

Internationale Perspektiven

Der 8. Mai wird in verschiedenen Ländern unterschiedlich gewürdigt. In Frankreich ist er als „Tag des Sieges“ ein gesetzlicher Feiertag, während in den Niederlanden bereits der 5. Mai als Befreiungstag begangen wird. In Russland und anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion findet das Gedenken erst am 9. Mai statt, da die Kapitulation nach Moskauer Zeit erst nach Mitternacht in Kraft trat.

Diese unterschiedlichen Daten spiegeln auch die verschiedenen historischen Erfahrungen und nationalen Narrative wider. Während westeuropäische Länder den Tag als Befreiung oder Sieg feiern, ist die Erinnerung in Deutschland naturgemäß komplexer und ambivalenter.

Debatte um einen bundesweiten Feiertag

Die Frage, ob der 8. Mai bundesweit ein gesetzlicher Feiertag werden sollte, wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Befürworter argumentieren, dass die Bedeutung des Tages als Wendepunkt der deutschen Geschichte einen arbeitsfreien Tag rechtfertigt. Gegner befürchten hingegen, dass ein Feiertag die ernsthafte Auseinandersetzung mit der Geschichte verwässern könnte, da er von vielen lediglich für Freizeitaktivitäten genutzt würde.

In Deutschland liegt die Festlegung von Feiertagen in der Kompetenz der Bundesländer. Bislang hat sich kein Bundesland außer Berlin – und auch das nur für besondere Jubiläen – für einen regulären Feiertag am 8. Mai entschieden. Brandenburg begeht den Tag lediglich als Gedenktag ohne Arbeitsfreistellung.

Hurrelbrink merkt dazu an, dass der 8. Mai aufgrund seiner komplexen Bedeutung und des ambivalenten Verhältnisses der Deutschen zu ihrer Geschichte nicht als offizieller Feiertag etabliert wurde. Er hofft jedoch auf eine Veränderung dieser Perspektive in der Zukunft.

Angesichts aktueller Herausforderungen für die Demokratie und des zunehmenden Rechtsextremismus in Deutschland und Europa gewinnt die Erinnerung an den 8. Mai 1945 eine neue Dringlichkeit. Wie Kai Wegner betont: „Die Demokratie gerät auch in unserem Land unter Druck. Der 8. Mai mahnt uns, wachsam zu bleiben und entschlossen für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten.“

Geschrieben von: RadioMonster.FM

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