Musik

These New Puritans: „Crooked Wing“ – Eine musikalische Reise zwischen Ruinen und Schönheit

today23.05.2025 8

Hintergrund
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Das lang erwartete fünfte Album „Crooked Wing“ der britischen Experimentalband These New Puritans erscheint nach sechs Jahren kreativer Pause und nimmt dich mit auf eine faszinierende Klangreise zwischen mechanischen Rhythmen und emotionaler Tiefe. Die Zwillingsbrüder Jack und George Barnett haben ein Werk geschaffen, das sowohl kunstvoll als auch zugänglich ist – ein komplexes Geflecht aus Post-Rock, Avantgarde und elektronischen Elementen, das seine volle Wirkung erst bei mehrmaligem Hören entfaltet.

Ein Album zwischen Maschinen und Emotionen

These New Puritans:

Bereits der Einstieg in „Crooked Wing“ macht deutlich, dass dich etwas Besonderes erwartet. Das Album beginnt und endet mit einem jungen Knabensopran, der über einer Kirchenorgel singt – aufgenommen in einer abgelegenen Kirche in Essex. Diese sakrale Atmosphäre bildet den Rahmen für eine musikalische Reise, die zwischen Lärm und Stille, zwischen Härte und Zartheit pendelt.

Der erste vollwertige Track „Bells“ ist eine sieben Minuten lange Komposition, die mit glitzernden Tasten und Glockenklängen beginnt. „Dieser Song begann mit einer Feldaufnahme, die wir von einer Glocke in einer kleinen orthodoxen griechischen Kirche gemacht haben. Man kann sie im Song hören, und der Rest des Songs ist daraus entstanden. Dieser eine Glockenschlag hat viel vom Album in Bewegung gesetzt“, erklärt Jack Barnett. Seine markante Stimme, die an Mark Hollis von Talk Talk erinnert, schwebt über majestätischen Chorklängen und schafft eine eindringliche Atmosphäre.

Einen starken Kontrast dazu bildet „A Season In Hell“ mit seinen düsteren Klanglandschaften und kraftvollen Drums. Der Track entwickelt sich zu einem surrealen Erlebnis, das von Steve Reich und post-industrieller Ästhetik inspiriert scheint. Die Band zeigt hier ihre Fähigkeit, verschiedenste Einflüsse von Tribal-Postpunk bis Darkwave zu einem kohärenten Ganzen zu verweben.

Caroline Polachek und das Duett der Baukräne

Der zugänglichste Moment des Albums ist zweifellos „Industrial Love Song“, ein Duett mit der amerikanischen Sängerin Caroline Polachek. Jack Barnett verrät die ungewöhnliche Konzeption hinter dem Stück: „Es ist ein Duett zwischen zwei Kränen auf einer Baustelle. Caroline singt den Part eines Krans, ich singe den anderen; sie können sich nicht berühren, da ihre Bewegungen vom Bediener gesteuert werden, aber wenn die Sonne aufgeht, hoffen sie, dass sich ihre Schatten kreuzen.“

Diese poetische Metapher zeigt die konzeptionelle Tiefe, mit der die Barnett-Brüder arbeiten. Trotz des industriellen Titels ist der Song eine sehnsuchtvolle Ballade, die eine tragische, bewegende Atmosphäre schafft. Die Kombination von menschlichen und mechanischen Elementen wird hier zum künstlerischen Prinzip erhoben.

Zwischen Ruinen und neuen Welten

„Crooked Wing“ lässt sich als ein Album verstehen, das den Konflikt zwischen alter und moderner Welt dokumentiert. Tracks wie „Wild Fields“ und „The Old World“ nehmen dich mit auf eine metaphorische Reise entlang vergessener Zivilisationen. Der geisterhafte, ruhige Klaviertrack „I’m Already Here“ wird abrupt durch das dunkle, dröhnende „Wild Fields“ unterbrochen – ein perfektes Beispiel für die dynamischen Kontraste des Albums.

Der majestätische Titeltrack „Crooked Wing“ verbindet Elemente von Talk Talk und Dead Can Dance und evoziert die Atmosphäre einer Messe in einer englischen Landkirche. George Barnett erklärt den Titel: „Ein krummer Flügel ist ein Ohr; man hat eines auf jeder Seite des Körpers, und sie haben eine gewellte Form. Vielleicht können sie dir helfen zu fliegen, wenn du Glück hast.“

Das Finale „Goodnight“ bietet zenhafte Tasten und Blechbläser, bevor ein Kinderchor den Schlussakkord setzt und damit den Kreis zum Anfang des Albums schließt. Diese durchdachte Struktur zeigt die Detailverliebtheit, mit der die Barnett-Brüder an ihrer Musik arbeiten.

Ein Requiem für das mechanische Zeitalter“Crooked Wing“ verlangt deinen vollen Einsatz als Hörer. Es bietet keine einfachen Freuden und könnte beim ersten Durchlauf sogar kalt und chaotisch wirken. Doch mit jedem weiteren Hören entfaltet sich der Zusammenhang zwischen den einzelnen Stücken, und das Album offenbart seine wahre Schönheit.

Kritiker beschreiben das Werk als „ein Requiem für das mechanische Zeitalter, ein Liebeslied an den Verfall und eine eindringliche Erinnerung an die Schönheit, die im Schatten von Ruinen gefunden werden kann“. Diese Charakterisierung trifft den Kern des Albums, das trotz seiner experimentellen Methoden stets seine emotionalen Wurzeln bewahrt.

Die Vielseitigkeit und musikalische Raffinesse machen „Crooked Wing“ zu einem der ungewöhnlichsten und beeindruckendsten Alben des Jahres. These New Puritans beweisen einmal mehr, dass sie eine Band für sich bleiben, die kontinuierlich neue Wege findet, um zu überraschen und zu begeistern.

Das seit gestern erhältliche Album „Crooked Wing“ (Domino Records) ist ein mutiger Schritt in der Entwicklung von These New Puritans, die ihre einzigartige musikalische Vision konsequent weiterverfolgen. Es ist ein Werk, das dich herausfordert, aber letztendlich mit einer tiefen emotionalen Erfahrung belohnt – vorausgesetzt, du bist bereit, dich darauf einzulassen.

Geschrieben von: RadioMonster.FM

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