Wirtschaft & Politik

USA und Ukraine besiegeln Rohstoffabkommen: Win-Win oder riskantes Spiel?

today01.05.2025 4

Hintergrund
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Nach wochenlangen intensiven Verhandlungen haben die USA und die Ukraine gestern ein bahnbrechendes Rohstoffabkommen unterzeichnet. Der gemeinsam betriebene Wiederaufbaufonds soll einerseits den USA Zugang zu strategisch wichtigen Ressourcen wie Seltenen Erden sichern und andererseits dem kriegsgebeutelten Land dringend benötigte Mittel für den Wiederaufbau zur Verfügung stellen. Doch während offizielle Stimmen von einer „historischen Wirtschaftspartnerschaft“ sprechen, stellen sich viele die Frage: Wer profitiert tatsächlich mehr von dieser Vereinbarung?

Die Eckpunkte des Abkommens im Überblick

USA und Ukraine besiegeln Rohstoffabkommen: Win-Win oder riskantes Spiel?

Das gestern in Washington unterzeichnete Abkommen zwischen US-Finanzminister Scott Bessent und der ukrainischen Wirtschaftsministerin Julia Swyrydenko umfasst mehrere Schlüsselelemente. Im Zentrum steht ein gemeinsamer Wiederaufbaufonds, der Projekte zum Abbau ukrainischer Rohstoffe wie Mineralien, Öl und Gas finanzieren soll. Die Ukraine zahlt 50 Prozent der Einnahmen aus künftigen Förderlizenzen oder Rohstoffverkäufen in den Fonds ein, während die USA ihren Anteil durch finanzielle Mittel oder neue Waffenlieferungen beisteuern können.

US-Finanzminister Bessent erklärte zur Unterzeichnung: „Diese Partnerschaft ermöglicht es den Vereinigten Staaten, gemeinsam mit der Ukraine zu investieren, das Wachstumspotenzial der Ukraine freizusetzen und amerikanische Fachleute sowie Kapital zu mobilisieren.“ Er betonte zudem, dass das Abkommen „ein klares Signal an die russische Führung“ sei, dass sich die Trump-Regierung „langfristig für einen Friedensprozess mit einer freien, souveränen und prosperierenden Ukraine einsetzt“.

Kontroverse um Kontrolle und Abhängigkeiten

Ein zentraler Diskussionspunkt war die Frage, inwieweit die Ukraine die Kontrolle über ihre Ressourcen behält. Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal stellte klar: „Die Ukraine behält die volle Kontrolle über ihre Rohstoffvorkommen. Entscheidungen über den Abbau werden vom ukrainischen Staat getroffen.“ Diese Aussage zielt darauf ab, Bedenken hinsichtlich eines möglichen Ausverkaufs ukrainischer Bodenschätze zu zerstreuen.

Wirtschaftsministerin Swyrydenko ergänzte, dass die Ukraine ihren Anteil nicht aus bestehenden Projekten leiste, sondern durch Einnahmen aus künftigen Förderlizenzen. Besonders wichtig erscheint ihre Klarstellung, dass die Ukraine Militär- und Finanzhilfen nicht durch Rohstoffausbeutung zurückzahlen müsse – ein Punkt, der in den Verhandlungen offenbar kontrovers diskutiert wurde.

Die Rolle von US-Präsident Trump

Die Verhandlungen standen unter erheblichem Druck durch US-Präsident Donald Trump, der die Ressourcenfrage als Bedingung für die weitere militärische Unterstützung der Ukraine betrachtete. Trump äußerte sich optimistisch über die Vereinbarung und betonte, dass „die USA mehr zurückbekommen würden als sie investiert hätten.“

Berichten zufolge soll Trump dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj geraten haben, das Abkommen zu unterschreiben, „weil Russland viel größer und viel stärker ist“ – eine Äußerung, die die geopolitischen Machtdynamiken in der Region verdeutlicht. Die Verhandlungen hatten bereits im Februar begonnen, standen aber zwischenzeitlich nach einem Eklat zwischen Trump und Selenskyj kurz vor dem Scheitern.

Ukrainische Rohstoffschätze: Potenzial und Herausforderungen

Die wirtschaftliche Bedeutung des Abkommens wird durch die Tatsache unterstrichen, dass in der Ukraine rund fünf Prozent der weltweiten Bodenschätze liegen. Viele dieser Vorkommen sind jedoch noch nicht erschlossen, und einige befinden sich in den von Russland kontrollierten Gebieten – eine erhebliche Komplikation für die praktische Umsetzung des Abkommens.

ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen bezeichnete das Abkommen als „guten Deal“ für beide Seiten: „Die Ukraine ist nicht gezwungen, ihre Rohstoffe aufzugeben. Hier wird nicht eine Schuld zurückgezahlt für die Militärhilfen der Vergangenheit, sondern auf die Zukunft geschaut.“

Sicherheitsgarantien und politische Implikationen

Ein wichtiger Aspekt, der in den Verhandlungen eine Rolle spielte, war die Frage nach Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte gehofft, durch das Abkommen konkrete Sicherheitszusagen der USA zu erhalten. Berichten zufolge enthält das Abkommen jedoch keine spezifischen Garantien dieser Art.

Historiker Timothy Gorton Ash wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Großmachtpolitik und das Verhältnis zwischen den USA und Russland entscheidend für die Region bleiben. US-Senator Marco Rubio betonte seinerseits die Notwendigkeit von Friedensvorschlägen und deutete an, dass die USA sich andernfalls zurückziehen könnten – eine kaum verhüllte Drohung, die den Druck auf die Ukraine erhöht.

Der Weg zur Umsetzung

Bevor das Abkommen in Kraft treten kann, muss es noch vom ukrainischen Parlament ratifiziert werden. Die ersten Investitionen sind ausschließlich in der Ukraine erlaubt, und in den ersten zehn Jahren sollen alle Gewinne reinvestiert werden – ein Punkt, der die langfristige Ausrichtung des Projekts unterstreicht.

Laut dem Abkommen soll der Wiederaufbaufonds gleichberechtigt zwischen den USA und der Ukraine betrieben werden, und in keinem der Partnerländer sollen Steuern auf den Fonds anfallen. Diese Steuerbefreiung könnte zusätzliche Anreize für Investitionen schaffen.

Was die praktische Umsetzung betrifft, so dürfte die aktuelle Kriegssituation eine erhebliche Herausforderung darstellen. Viele der reichsten Rohstoffvorkommen der Ukraine befinden sich im Osten des Landes, wo weiterhin Kampfhandlungen stattfinden oder Gebiete unter russischer Kontrolle stehen.

Das Rohstoffabkommen zwischen den USA und der Ukraine markiert einen bedeutenden Wendepunkt in den bilateralen Beziehungen und könnte weitreichende Auswirkungen auf die wirtschaftliche Zukunft der Ukraine haben. Ob es tatsächlich zu dem von beiden Seiten erhofften „Win-Win-Szenario“ führt, wird sich in den kommenden Jahren zeigen – abhängig von der Entwicklung des Krieges, dem politischen Klima in Washington und nicht zuletzt der konkreten Umsetzung vor Ort.

Geschrieben von: RadioMonster.FM

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